Montag, 19. August 2013

Reisebericht: Boston pt.1



Die Zeit weigert sich stur, still zu stehen. Jeden Tag eine neue Realität. Wer liegen bliebt, bleibt hängen. Jet Lag. Dieses Mal anders als gewohnt. Ja, es gibt die Schlaflosigkeit. Den Hunger auf Frühstück am vollkommen falschen Zeitpunkt. Die Überzeugung, es wäre erst früh am Nachmittag, wenn es schon zu dämmern beginnt. Doch ein Blick auf die Uhr verrät schon das Geheimnis der geistigen Vernebelung - sie steht noch auf Boston-Zeit.


Etwas über eine Woche nach Heimkehr wage ich mich zaghaft an den ersten Teil eines Urlaubsberichtes. Es dürfte schon durchgeschienen haben - die Reise war traumhaft. Nein, mehr als das. Sie war ein Traum. Nur besser; ich darf sie jetzt Erinnerung nennen. Wahrscheinlich wird euch vieles von der Begründung dieses Eindrucks verwehrt bleiben und ich muss zugeben, als Berichterstatterin habe ich auch dieses Mal wieder kläglich versagt. Wie fängt man sie ein, all diese atemberaubenden Eindrücke, wenn man selbst aus dem Staunen nicht herauskommt?
Aber seit getrost; wenn gleich meine Nikon oft, meine Digicam tatsächlich pausenlos im Zimmer liegen blieben, mein iPhone war mein treuer Begleiter und ich war überrascht, wie schön es das Erlebte doch wiederzugeben vermag.


Boston war also unsere erste Station. Es war am späten Nachmittag, als wir im Hostel 40 Berkeley ankamen. Freundlich wurden wir von der unscheinbar kleinen alten Empfangsdame begrüßt wurden. Salopp aber herzerweichend hieß sie uns willkommen und reichte uns selbst gebackene Cookies. Zwar hatten wir an der South Station bereits unseren Heißhunger bei den zahlreichen Fast Food-Ständen getilgt, doch gegen etwas Süßes konnte ich nichts einwenden.


Das 40 Berkeley ist ein überaus nettes wenn auch altes Hostel. Besonders hervor sticht die große Lobby, die nebst zahlreichen Prospekten auch iPads und Computer zur Verfügung stellt. Es gibt einen gemütlichen Konferenzraum, mehrere Barstühle (aber keine Bar), die Möglichkeit, sich selbst Kaffee zu brauen und zu jeder Tageszeit eine internationale Belegschaft, die sich kennenlernt, über kommende Reiseziele informiert oder auf einer Couch nach einer erschöpfenden Reise einnickt. Es kann mit einem Wort ziemlich treffend beschrieben werden: Authentisch.
Mein bester Freund und ich hatten ein Doppelzimmer gemietet. Und ja, wer an Hotels gewohnt ist, wird nicht begeistert sein, denn das Berkeley ist eine Jugendherberge durch und durch. Gemeinschaftsbad, kleine Zimmer, nicht unbedingt die aller saubersten Bettbezüge - wer allerdings frisches Bettzeugs oder Tücher will, muss nur in der Lobby nachfragen.
Frühstück gibt es einen Stock unter der Lobby in einem kantinenartigen Raum. Man kann sich typisch amerikanisches Essen auftischen lassen oder sich selbst mit Cereals, Toasts, Tee, Kaffee und Saft bedienen. Oder beides. Auch hier - der amerikanische High School oder College-Flair schwappt sofort auf einen über. Zwar ist nichts wirklich neu und funkelnd, aber es ist echt. Und das verblüfft mich als hartgesottene Europäerin immer und immer wieder.


Am Abend haben wir uns in die Newbury Street begeben. Was wir nicht wussten - "Newbury" ist in Boston ein Synonym für "schick und teuer". Doch hier sollten wir uns mit unseren Freunden treffen, die die Harvard Summer School besuchten. Ich kann euch beim besten Willen nicht mehr verraten, wie das Lokal hieß, in welchem wir zu Abend aßen. Nur, dass es ziemlich lecker war, aber in dieser Straße isst man vermutlich überall gut - was bei den Preisen auch zu erwarten ist. Mich überraschte vor allem, dass wir nicht nach unserem Ausweis gefragt wurden, als wir Cocktails bestellten, denn so ergeht es einem in Amerika meistens. Trinken ist erst ab 21 erlaubt und vielerorts wird streng kontrolliert. Mein Mojito schmeckte allerdings auch ziemlich nach virgin.
Die Gespräche waren erheiternd, doch wir waren von der langen Reise - immerhin waren wir zu diesem Zeitpunkt bereits 21 Stunden unterwegs ohne wirklich zur Ruhe zu kommen - zu erschöpft und unsere Freunde zu sehr ins Lernen vertieft, als dass es hätte spät werden können.
Spät werden die Nächte in Bostons Lokalen aber ohnehin nicht - Wochentags ist höchstens bis 1 Uhr geöffnet, am Wochenende wurden wir gegen 2 hinausgefegt. Wer weiter feiern will, trifft sich wohl privat.


Ausschlafen am 2. Tag war nicht. Viel zu früh klingelte uns der Wecker aus dem Bett. Denn bereits am zweiten Tag würden wir unsere Weiterfahrt in die Stadt, die niemals schläft, antreten. Doch mehr dazu in einem anderen Post.



Bis dahin,

Nath

Montag, 12. August 2013

American State Of Mind pt.2


Szene am Logan International Airport, Boston, MA.
Vor uns eine nicht enden wollende Schlange vor den Schaltern. Ein Blick auf die Uhr. So langsam wird die Zeit knapp. Fluchend läuft Ä. zur Schalterdame, mich mit dem Gepäck zurück lassend. Gedankenversunken beobachte ich das ältere amerikanische Paar vor mir. Wie sie ihn liebevoll an der Schulter tätschelt. Wie er sie verliebt anlächelt. So soll das sein.
Mir steigen die Tränen in die Augen. Ich blicke weg. Versuche, tief ein zu atmen. Ich will nicht weg. Alles Kämpfen nützt nichts, die Tränen finden ihren Weg an die Luft. Ich wische sie weg, doch eine nach der anderen läuft mir das Gesicht herunter. Ich will nicht aufgeben. Ä. kommt zurück. "Oh weh, dicke Krokodilstränen" bemerkt er und mit einem aufmunternden Lächeln nimmt er mich in den Arm. Doch ich kann mich kaum beruhigen. Die nette Dame vor uns kramt ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und reicht es mir. Ich gebe mir alle Mühe der Welt. Aber ich will nicht weg.
Auf dem Weg ins Flugzeug fange ich noch zweimal an zu heulen. Dennoch - unweigerlich führt mich jeder Schritt weiter weg. Es war nur ein Traum.

Ich bin wieder da. Es war eine traumhafte Reise und nun hält mich das Jetlag physisch sowie emotional fest im Griff. Es war die schönste Erfahrung meines Lebens. Nie hätte ich erwarten können, was ich dort nun erlebt habe. Wahrscheinlich dauert es nun seine Zeit, bis ich mich erholt habe. Jetzt will ich erst der wundervollen Geschichte, die ich leben durfte, Respekt zollen und sie niederschreiben. Nur für mich. Damit ich es niemals vergesse.


Bis dahin,

Nath